Dabei zeigt die Studie, dass die Experten vor allem dem Smartphone eine große Rolle bei den Veränderungen zusprechen. In zehn Jahren wird das Smartphone der Umfrage zufolge hinter Kreditkarte (70 Prozent) und Debitkarte (67 Prozent) das drittwichtigste Zahlungsmittel (62 Prozent) im Handel sein. Zugleich sind 6 von 10 Befragten (61 Prozent) der Meinung, dass bis 2025 Bargeld in Deutschland nicht mehr das dominierende Zahlungsmittel sein wird. „Das Smartphone wird zur Geldbörse und ersetzt Geldscheine, Münzen. Die Digitalisierung der Zahlungsmittel hat auch direkte Auswirkungen darauf, wie wir einkaufen und wie und wo wir unsere Bankgeschäfte tätigen“, sagt Bitkom-Vizepräsident Ulrich Dietz. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Finanzunternehmen geht davon aus, dass es in zehn Jahren üblich sein wird, dass es im Einzelhandel keine Kassen mehr gibt. Kunden werden zum Beispiel über ihr Smartphone erkannt, nehmen die Produkte aus dem Regal und der Bezahlvorgang wird automatisch beim Verlassen des Geschäfts abgewickelt.
Aber auch die Bankenwelt selbst verändert sich durch die Digitalisierung. So rechnen drei Viertel der Finanzexperten (74 Prozent) damit, dass es in zehn Jahren verbreitet sein wird, seine Bankgeschäfte mit dem Smartphone abzuwickeln. „Das Smartphone wird zur Bankfiliale, zum Beispiel indem ein Kredit direkt per App beantragt wird“, so Dietz. „Oder anders gesagt: Die Banken gehen dahin, wo sich die Menschen immer öfter aufhalten – ins mobile Internet.“ Jeder Zweite (53 Prozent) sagt, dass die Bankgeschäfte über Social-Media-Plattformen erledigt werden. 43 Prozent erwarten, dass Verbraucher gegenseitig Kredite über Crowdlending- oder Peer-to-Peer-Plattformen vergeben. Dietz: „Die Plattformen bringen dabei diejenigen, die Geld brauchen mit denen zusammen, die Geld verleihen wollen – und treten damit an die Stelle der klassischen Privatkundenbank und Sparkasse.“ Jeder Dritte (33 Prozent) rechnet damit dass es verbreitet sein wird, dass die Banken nur noch die Infrastruktur bereithalten, die Ansprechpartner der Kunden aber Internet-Unternehmen sind.
Für die Banken bedeutet das auf der einen Seite, dass es weniger Filialen geben wird. Drei Viertel der Unternehmen (73 Prozent) erwarten, dass ihre Zahl stark zurückgehen wird. Ein Viertel (25 Prozent) geht von einem leichten Rückgang aus. Auf der anderen Seite ermöglichen digitale Technologien wie etwa Big Data auch neue Angebote für Kunden: Zwei Drittel (65 Prozent) halten in zehn Jahren eine automatisierte und damit zeit- und ortsunabhängige Bankberatung durch Software für verbreitet, 62 Prozent gehen davon aus, dass bei Bankgeschäften auch Informationen über die Kunden aus öffentlichen Online-Profilen hinzugezogen werden. Mehr als jeder Zweite (55 Prozent) ist sich sicher, dass die Banken ihre Kunden dadurch besser kennen und ihnen je nach Lebenssituation geeignete Produkte anbieten können. 4 von 10 Finanzexperten glauben sogar, dass durch die Vernetzung von Alltagsgegenständen künftig automatisiert passende Finanzierungsangebote an die Kunden zugestellt werden können, etwa wenn das Auto einen Defekt erkennt und mit einer teuren Reparatur in die Werkstatt muss.
Unterm Strich sieht die deutsche Finanzbranche die Veränderungen positiv: 96 Prozent sagen, sie begreifen die Digitalisierung als Chance, nur 4 Prozent sehen ein Risiko. Jedes achte Unternehmen (12 Prozent) geht davon aus, dass die deutsche Finanzbranche in zehn Jahren im internationalen Vergleich weltweit führend sein wird. 52 Prozent sehen sie in der Spitzengruppe und 29 Prozent im Mittelfeld. Als größte Konkurrenten für disruptive Neuentwicklungen werden Zahlungsdienstanbieter wie etwa Paypal oder Sofortüberweisung gesehen (69 Prozent), dicht gefolgt von großen Unternehmen der Digitalbranche (65 Prozent) und nationalen Mitbewerbern aus der Finanzbranche (64 Prozent). Nur jeder vierte Finanzexperte (27 Prozent) hält dagegen Start-ups für eine bedeutende Konkurrenz. Dietz: „Künftig sind Banken in der Pflicht, Schnittstellen zu ihren Kontodaten zur Verfügung zu stellen. Mit diesen Schnittstellen wird es Dritten erst möglich, ganz neue Dienste zu entwickeln.“
Weitgehende Einigkeit besteht unter den Finanzunternehmen über die größten Hemmnisse für Innovationen in der Finanzbranche. 93 Prozent sagen, die Skepsis der Kunden sei innovationshemmend, 81 Prozent beklagen die zu starke Regulierung der Finanzbranche. Mit deutlichem Abstand folgen fehlendes Kapital für Forschung und Entwicklung (32 Prozent) und ein Mangel an Spezialisten (18 Prozent). Nur 5 Prozent sagen, Innovation werde gebremst, weil es zu wenige deutsche Start-ups im Finanzbereich gebe.
Hinweis zur Methodik
Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 102 Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder von Unternehmen der Finanzbranche ab 20 Mitarbeitern befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.