„Selbst bei den Spitzenreitern klafft immer noch eine gewaltige Lücke zwischen dem Angebot und den Bedürfnissen der Bürger“, stellt Sebastian Muschter, Co-Leiter der deutschen Public Sector Practice von McKinsey, fest. E-Information gehöre auf den Websites zwar in fast allen untersuchten Städten mittlerweile zum Standard. Aber simple Prozesse wie das Ändern der Steuerklasse, das Einholen einer Meldebescheinigung oder die Namensänderung auf dem Ausweis erforderten in der Regel immer noch den Gang zur Behörde. „Vielerorts laufen Behördenprozesse immer noch so ab wie vor 30 Jahren. Sie enden an den Zuständigkeitsgrenzen der Behörden, auch wenn die Bürgerbedürfnisse darüber hinausreichen“, urteilt Muschter.
Konkret hat McKinsey für die Studie sechs Ereignisse im Leben eines Bürgers untersucht, die intensiveren Kontakt mit Behörden mit sich bringen: (1) Geburt eines Kindes, (2) Übergang von Schule in den Beruf, (3) Eheschließung/Verpartnerung, (4) Gründung eines Unternehmens, (5) Jobverlust, -suche und -wiederaufnahme, (6) Todesfall in der Familie. Für die zehn Städte wurde ermittelt, welche Behördenschritte sich wie einfach online erledigen lassen.
Am besten klappt der Online-Service bei einer Unternehmensgründung. Denn die Europäische Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) garantiert, dass Gründer alle zur Aufnahme und Ausübung ihrer Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Verfahren und Formalitäten online über einen einzigen Kontaktpunkt abwickeln können. „Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig gesetzliche Vorgaben sind, um durchgängige Angebote unabhängig von Behördengrenzen zu schaffen“, sagt McKinsey-Berater Muschter.
Der Bund in seiner Rolle als Gesetzgeber und als Financier von Leuchtturmprojekten könnte stärker auf die Kommunen einwirken, ihre Online-Services auszubauen. Insbesondere gelte es, so Muschter, bereits verabschiedete Gesetze und Richtlinien mit Leben zu füllen und ihre Umsetzung zu forcieren. Das bedeute, bestehende Strategien wie die „Digitale Agenda 2014 bis 2017“ weiter zu konkretisieren, Aktionspläne zu definieren und das Erreichen von eGovernment-Zielen konsequent nachzuhalten, zum Beispiel über einen Index.
Um das Wissen, die Kosten und die Vereinheitlichung von eGovernment-Angeboten zu verbessern, schlägt die Studie den Einsatz von „Benchlearning“ vor, bei dem Städte gemeinsam eServices entwickeln und dann anderen Städten zur Verfügung stellen.
Muschter: „Der Aufbau von eGovernment-Angeboten kostet viel Geld, rechnet sich aber in wenigen Jahren – und wird preiswerter, wenn nicht jede Kommune das Rad neu erfindet.“ Die Vorteile von eGovernment belegt eine Studie der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement. Demnach können rund 70% der Kernprozesse bei Städten und Gemeinden durch eGovernment verbessert werden – das senkt laut der Gemeinschaftsstelle die Kosten um 20 bis 40 Prozent.