Gesundheitswesen: Jeder zweite Bürger ist unzufrieden mit dem digitalen Fortschritt

Mit ihrem grundsätzlichen Urteil zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sind die Deutschen nicht allein. In Frankreich und Spanien bewertet ein ähnlich großer Anteil der Bürgerinnen und Bürger die digitale Transformation ihres Gesundheitssystems als rückständig. Anders in Großbritannien: Dort sieht zwar die Mehrheit der Bevölkerung (57 Prozent) insgesamt eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung in den vergangenen zehn Jahren. Das Angebot digitaler Gesundheitslösungen bezeichnet allerdings nur jeder Vierte als unterdurchschnittlich.

Größere Unterschiede bestehen bei der Zufriedenheit mit einzelnen Vorhaben. In Frankreich und Spanien ist beispielsweise rund jeder zweite Befragte zufrieden mit der Lösung einer elektronischen Krankenakte in seinem Land, in Deutschland sind es nur 27 Prozent. Vor allem in Norwegen und Belgien sind es deutlich weniger Menschen, die schlechte Noten an den digitalen Ausbau ihres Gesundheitssystems vergeben. Nur 18 beziehungsweise 15 Prozent halten ihr Gesundheitswesen für digital wenig fortschrittlich. Nach Meinung der befragten europäischen Gesundheitsexperten gehört Belgien zu den europäischen Ländern, die die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung systematisch eingeleitet haben. Norwegen gilt generell als Musterschüler für systematische und pragmatische Digitalisierung.

Experten mahnen koordinierte Digitalisierungsstrategie und schnelleres Tempo an
Die zuständigen Akteure in Deutschland zögern dagegen häufiger mit Reformvorhaben. Die befragten Gesundheitsexperten identifizieren das föderale System in Deutschland als Digitalisierungsbremser. Zu viele Insellösungen und inkompatible IT-Landschaften stehen einer systematischen und flächendeckenden Einführung digitaler Anwendungen sowie der Entwicklung neuer Versorgungsmodelle im Wege. Dazu kommen immer wieder geäußerte Datensicherheitsbedenken als Begründung für ein Abwarten bei der Einführung neuer Lösungen und Geräte. Diese Barrieren ließen sich allerdings durch Standards und Kontrollen der Anbieter überwinden, so die Einschätzung der Experten.
Ein zu langes Zögern würde dagegen den Verlust von Datensouveränität an Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft (GAFAM) bedeuten. Noch ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsexpertise der Internetkonzerne gering. Nur fünf Prozent der Bundesbürger würden Hinweisen der GAFAM-Apps auf mögliche Krankheiten auf Basis ihrer Daten vertrauen. 68 Prozent vertrauen dagegen Ärzten, Kliniken und Krankenkassen.

Bevölkerung in Deutschland ist bereit für mehr Digitalisierung
Allerdings wird der Druck der Digitalbranche auf die Akteure im Gesundheitswesen künftig zunehmen, genauso wie der aus der Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehrheitlich Verbesserungen und sehen den Mehrwert digitaler Angebote: Drei von vier Befragten gehen davon aus, dass digitale Lösungen die Diagnose, Behandlung und die Prävention von Krankheiten signifikant verbessern. Das Monitoring von Vitaldaten, der Austausch zwischen den Kliniken, Hausärzten und Krankenkassen sowie digitale Mehrwerte durch die elektronische Gesundheitskarte sollten bei den Akteuren Priorität haben. 73 Prozent der Befragten würden zudem deutlich mehr Daten zu ihrer elektronischen Krankenakte senden, wenn eine zufriedenstellende Lösung zur Verfügung stünde. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen Versicherten erst ab 2021 eine elektronische Patientenakte anbieten. Zum Vergleich: In Norwegen und Belgien gibt es jetzt schon mehr Initiativen und dadurch eine größere Verbreitung.

Zentrale Plattformlösung als Digitalisierungsturbo
„Die Deutschen sind längst bereit für digitale Angebote in der Gesundheitsversorgung. Die Technik dafür ist ebenfalls vorhanden, nun müssen die Akteure nachziehen“, sagt Dr. Tina Wulff, Senior Consultant Digital Healthcare bei Sopra Steria Consulting. Die Fachexpertin plädiert für den Aufbau eines digitalen Gesundheitsökosystems, um den Reformstau aufzulösen: „Es fehlen Lösungen, die speziell auf die Versorgungslandschaft im deutschen Gesundheitswesen zugeschnitten sind und flächendeckend ausgerollt werden können. Eine digitale Plattform wäre ein Ansatz, um alle Akteure mit ihren heterogenen Systemen zu vernetzen und digitale Gesundheitsservices für die breite Masse anbieten zu können – nach festgelegten Sicherheitsstandards“, so Dr. Tina Wulff.

Über die Studie:
Für die Studie „European Study on the Digitalisation of the Healthcare Pathways“ wurden im Auftrag von Sopra Steria Consulting 1.200 Bürger aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Spanien sowie 35 Gesundheitsexperten befragt. In Deutschland wurden 200 Bürger online und fünf Experten per Telefon interviewt. Die Studie führte das Marktforschungsinstitut Ipsos im Zeitraum Juli 2018 bis März 2019 durch.

soprasteria.de

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